Philippe Wicht

Preisträger:in 2015

«Prom», 2015

Der Raum ist mit grellem Neonlicht beleuchtet, zu grell eigentlich für eine Party, und doch schafft es der Protagonist in seiner überschwänglichen Art mit dem Publikum eine ausgelassene Partystimmung zu erzeugen. «Bonjour à tous...it‘s partytime!» ruft er euphorisch, nachdem er sich mit theatraler Geste das weisse Leintuch vom Körper lüftet, mit dem er eben noch als Geist durch den Raum gewandelt ist. Das Publikum lacht vergnügt. Der junge Mann lädt alle ein, mit ihm nochmals seine Schulabschlussparty zu feiern, damit er die traumatischen Erlebnisse, die er damals erleben musste, überwinden und dieses wichtige Ereignis im Leben eines Jugendlichen neu besetzen kann. Das Publikum nimmt die Einladung an, holt sich zu trinken, Saft oder Alkohol, der auf einem Tisch bereit steht, isst Popcorn, einige unterhalten sich angeregt oder sprechen mit dem Protagonisten, andere spielen mit den farbigen Ballonen, die verstreut am Boden liegen. Die Musik ist laut, das Publikum unterhält sich. Doch plötzlich unterbricht er das Ganze. Er erzählt eine demütigende Anekdote von seinem Abschlussball, übergiesst sich von Kopf bis Fuss mit Multivitaminsaft und schreit schmerzvoll auf. Einige lachen, zögerlich. Das Lachen weicht einer Beklemmung, die sich allmählich ausbreitet – da öffnen sich einige Abgründe. Im Verlauf der ganzen Performance findet sich das Publikum in verschiedenen Situationen und Rollen wieder, manche spielen mit, andere bleiben als Zuschauende sitzen. Von Zeit zu Zeit erzählt und spielt der Protagonist weitere traumatische Erinnerungen nach, wie zum Beispiel das Lied vom Furzgesicht, das er lautstark mit einem Tamburin vorträgt. Und dann zum Schluss, als er mit einem Freiwilligen aus dem Publikum telekinetische Kommunikation übt, beginnt die Situation endgültig ins Unangenehme, Beklemmende, Derbe auch, zu kippen. Der junge Mann dreht den Spiess um. Ein Knall, ein Ballon platzt, er fällt zu Boden. Anscheinend hat sich das Publikum zum Täter gewandelt, das ihn mit bösen Gedanken telekinetisch quält. Er ohrfeigt sich, keucht, schreit vor Schmerz «ça suffit maintenant!», zuckt, versucht aufzustehen, fällt abermals zu Boden. Es scheint, als würde er den Raum verlassen, einige klatschen, wollen, dass die Performance endet, doch er kehrt zurück in einem roten Samtkleid. Der Raum ist erfüllt von Horrorfilm-Musik. Der junge Mann zittert, erhebt beschwörerisch die Arme, das Licht wird dunkler, dann wieder heller, seine Arme zucken, sein entrückter Blick hat er in die Höhe gerichtet, er schreit wie ein Wahnsinniger Je vais vous tuer!“. Irgendwo klappert es, schlagen Gegenstände aufeinander. Er schreitet langsam rückwärts aus dem Raum. Einige folgen, doch er ist verschwunden. Ratlos und unverrichteter Dinge bleiben wir zurück. Es ist uns nicht gelungen, diesem Heranwachsenden bei der Umdeutung, bei der Überschreibung seines Traumas zu helfen.

Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015
Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015
Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015
Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015
Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015
Philippe Wicht, «Prom», 2015 / Photo credit: Swiss Performance Art Award 2015